Und sie tat es und wurde ein Star

 

Die Mütter stellten ihre Kinder vor. Mein Kind heisst Gianna Anna Anina Nina Nanina und zum Familiennamen Nannini, erklärte sie und liess das Mädchen mit den anderen krabbeln. Die anderen hiessen Lara, Sonja, Francesca, Lea, Leila, Jara, Yanik, Nevio, August und Leon. Sie hatten es lustig. Steckten sich Gummigiraffen in den Mund. Stiessen sich die Köpfchen an den Tischbeinen. Lutschten Reiswaffeln bis sie weich und in Einzelteile zerlegt das zusammensteckbare Gummialphabet verzierten.

 

Die Mütter stellten ihre Kinder vor. Mein Kind heisst Gianna Anna Anina Nina Nanina und zum Familiennamen Nannini, erklärte sie. Gianna Anna Anina Nina Nanina wurde gebeten, den Daumen aus dem Mund zu nehmen und ein Puzzle zu legen. Sie brachte zusammen mit Lou eine Kuh, die man in 16 Teile geschnitten hatte, wieder zusammen.

 

Und wer bist du? Fragte die Kindergärtnerin. Ich bin Gianna Anna Anina Nina Nanina Nannini, antwortete sie. Ein Junge namens Fynn begann zu weinen. Im Kindergarten sangen sie viel. Gianna Anna Anina Nina Nanina fiel schnell auf mit ihrer kratzigen, honigfliessenden Stimme. Alle erzählten zuhause von ihr. Die Kinder sagten: Das Mädchen singt am besten von uns allen. Wie heisst das Mädchen? Doch die Kinder meinten, sie hätten es vergessen.

 

Über deinen Namen habe ich mir den Kopf zerbrochen, erwiderte Gianna Anna Anina Nina Nanina Nannini’s Mutter, als sie scheu fragte, ob sie für den Schuleintritt nicht eine kürzere Form ihres Namens haben könnte. Ich bin stolz auf diesen Namen, niemand kann behaupten, einen Namen zu haben, der klingt, schwingt, singt. Du bist meine Gianna Anna Anina Nina Nanina Nannini und dabei bleibt es.

 

Alle anderen Kinder, selbst die mit den doch schon kurzen Namen bekamen ihre Abkürzungen. Praktisch war das vor allem beim Fussball. Kein Kind rief: Lukas, den Ball hierher! Oder: Sebastian, da! Mirjam, schiess! Luki! Sebi! Miri! Sebi wagte es eines Tages zu sagen: Gia! Schiess! Doch Gianna Anna Anina Nina Nanina reagierte nicht darauf, wie es ihr die Mutter eingeschärft hatte. So verloren sie ihr erstes Turnier. Der Ball wurde ihnen ständig weggeschnappt, bis man Gianna Anna Anina Nina Nanina gerufen hatte, lag der lange schon im eigenen Tor. Dabei war Gianna Anna Anina Nina Nanina eine leidenschaftliche Fussballerin. Sie träumte davon, eines Tages eine Hymne auf den Fussball zu singen und Weltstar zu werden. Vielleicht hiesse sie dann Elton John. Oder Sting. Und ihre Mutter wäre so stolz auf sie, dass sie den Namenswechsel akzeptierte.

 

Als Gianna Anna Anina Nina Nanina Nannini am Konservatorium Gesang studierte, nannten sie die Lehrer und Kollegen alle bei ihrem vollen Namen und fanden das künstlerisch. Geh deinen eigenen Weg, sagten sie. Mit dieser honigfarbenen Kratzstimme wirst du keine Opern singen können. Sing doch eine Fussballhymne.

 

Und sie tat es und wurde ein Star.

 

Als sich in Gianna Anna Anina Nina Nanina Nannini’s Gesicht Falten gruben und sie täglich im Wald turnen ging, damit sie fit für die Bühne bleiben konnte, wurde sie schwanger und gebar ein Mädchen. Sie gab ihr den Namen O. Denn Gianna Anna Anina Nina Nanina Nannini mochte den Buchstaben O. schon immer.

 

Die Mütter stellten ihre Kinder vor. Mein Kind heisst O., erklärte sie und liess das Mädchen mit den anderen krabbeln…

 

© Lea Gottheil 2012